Über die Finnmark
Die Bezeichnung "Finnmark" kommt nicht, wie zunächst vermutet werden könnte, vom Nachbarland Finnland. Vielmehr bedeutet "Finn" im norwegischen auch "Same", wobei diese Bezeichnung eher abfällig gemeint ist. Äußerungen wie "først folk, sia finn", ("erst der Mensch, dann der finn") sind im Volksmund ganz normal.
Häufig ist das Volk auch unter dem Begriff "Lappen" bekannt, wobei sie diesen Namen nicht mögen. Verständlicherweise, denn darin drückt sich eine Herablassung aus, die sie über Jahrhunderte als primitiv, um nicht zu sagen als minderwertig abstempelte. Dieses Schicksal haben sie lange genug mit dem anderer Urbewohner geteilt; dass es ihnen immer noch besser erging als den Indianern Nordamerikas oder den Eskimos auf Grönland verdanken sie der Tatsache, dass ihr Lebensraum letztlich nicht so anziehend war wie etwa die Prärien des Mittleren Westens.
Erhaltung der samischen Sprache und Kultur
Ja, wie früher ist es schon lange nicht mehr, aber es wird heute viel dafür getan, dass das ´alte Leben` nicht in Vergessenheit gerät, und dass die samische Sprache und Kultur gepflegt und aufrechterhalten wird. Wie in Karasjok und Kautokeino sieht es nirgends im Land aus: 90 Prozent der Einwohner sind samisch und dementsprechend werden Sprache und Kultur in den Ortschaften gefördert. Neben verschiedenen Sámi-Organisationen gibt es samische Schulen und Kindergärten, sowie auch samische Museen und Kunstgalerien. Auch spezielle samische Medien sind in diesen Orten stark vertreten. Das erste Parlament der Samen wurde 1989 von König Olav in Karasjok offiziell gegründet. In Kautokeino gibt es seit Neuestem sogar eine kleine samische Hochschule. In den beiden Samenorten Karasjok und Kautokeino gibt es wohl kaum jemanden, der die samische Sprache nicht beherrscht. Hier liest man nicht das Finnmark Dagbladet, sondern "Min Áigi", eine samische Zeitung, die allerdings nicht täglich erscheint. Insbesondere viele der älteren Generation sind froh über den samischen Sender NRK Sámi radio. Der Wachmann Roger Østby erzählt ein wenig über die Entstehung des Senders. Bereits ab 1946 wurden Radiobeiträge in samischer Sprache gesendet. Ein wöchentliches 20minütiges Programm wurde in Nordnorwegen ausgestrahlt, wobei sich die Sendezeiten im Laufe der Jahre verlängerten. "Unser Sámi Radio gibt es seit 1976", berichtet Roger. Ausschließlich Samen arbeiten in dem Regionalbüro des vom Norwegischen Reichsrundfunk gegründeten samischen Radio. Auch in anderen Orten gibt es Lokalbüros. "Es gibt jetzt täglich vier bis fünf Stunden samischsprachige Sendungen", so Roger Østby, "wobei vorrangig Nachrichten und aktuelle Berichte gesendet werden." Aber auch die samische Volksmusik, der joik, Reportagen über lokale Veranstaltungen und Interviews gehören zum täglichen Repertoire der Hörfunkanstalt. "Unsere Arbeit steht für die Erhaltung der samischen Sprache, Kultur und Eigenart. Wir wollen dazu beitragen, dass Sami Sami sein können und wollen", so Roger, dem man seine samische Herkunft nicht ansieht. Das Bild vom "typischen Samen" sieht anders aus: Man stellt sie sich klein, eher dunkelhäutig und natürlich in den typischen bunten Trachten vor. "Das ist völliger Blödsinn", meint Roger, dessen samischer Name Marjja-Piera-Johanasa-Roger lautet. "Das Bild, das die Leute von Samen haben, stimmt schon lange nicht mehr. Die wenigsten leben noch von der Rentierzucht. Wir haben ´normale` Berufe, und die Trachten werden nur zu besonderen Anlässen aus den Schränken geholt."
Aber nicht nur die Samen sorgen sich um die Erhaltung ihrer Kultur, mittlerweile tun dies auch die Norweger: im April 1988 verabschiedete das norwegische Parlament den Zusatzartikel 110a zur norwegischen Verfassung: "Es obliegt den staatlichen Behörden, die Grundlagen dafür zu legen, dass die Volksgruppe der Sámit ihre Sprache, Kultur und Sozialstruktur sichern und entwickeln kann." 1989 wurde das erste samische Parlament verabschiedet.
Von Nomadenleben und Tauschhandel zu Sesshaftigkeit und Geldwirtschaft
Aber bereits nach dem Krieg hieß es langsam aber sicher, Abschied zu nehmen von der alten Selbstversorgerwirtschaft, die auf Tauschhandel basierte. Die Geldwirtschaft wurde vorherrschend und dementsprechend brauchten die Familien größere Herden, um von der Rentierzucht leben zu können.
Je größer die Herde wurde, desto weniger zahm waren die Tiere auch. Die moderne Konsumgütergesellschaft hat auch auf die Rentierhalter Einfluss genommen und sie von technischen Hilfsmitteln und den üblichen Verbrauchsgütern abhängig gemacht. Die Herdenhaltung wurde zu einer vom Verkauf ausgerichteten Produktionswirtschaft. Die in den 60er Jahren eingeführten Motorschlitten sind eine kostspielige Investition, sowohl in der Anschaffung als auch in der Wartung. Heute gehören sie zur normalen Ausstattung der Rentierhalter. Die Mechanisierung und der Übergang zur Geldwirtschaft setzten sich bis in die 80er Jahre fort und der Nomadismus und die Reste des alten Lebensstils wichen der Sesshaftigkeit. Die Rentierhaltung wurde zum Industriezweig. Um ihren sozialen Status zu wahren, brauchen die Herdenbesitzer immer mehr Tiere. Da die Weiden den Rentierhaltern kostenlos zur Verfügung stehen, ist es für Ole Tomas und den anderen, die noch heute von der Zucht leben, mühelos möglich, die Herden zu vergrößern. Es bleibt nicht aus, dass sich bei den heutigen ´Überweidungen` der Zustand der Wiesenlandschaften erheblich verschlechtert hat. Dieses gilt besonders für die Frühjahrs- und Herbstweidegebiete der Finnmark. Rentierflechten und andere Wildkräuter sind immer seltener zu finden. Auch andere Faktoren wie die Umweltverschmutzung durch weit entfernt liegende Industriegebiete beeinträchtigen die Vegetation erheblich. Die gegenwärtige Zahl der Rentierbestände ist nicht länger aufrechtzuerhalten.
Probleme der Anerkennung
Dieses Beispiel zeigt, dass die Samen in Norwegen nicht immer so anerkannt waren wie heute. Lange Zeit führten die norwegischen Behörden eine aktive Politik der Anpassung. Die Sámit sollten dazu bewegt werden, ihre eigene Sprache und Kultur für die norwegische aufzugeben. Die Kluft zwischen der Sámi- und der nordischen Kultur war so groß, dass die Menschen die jeweils andere Lebensweise nicht verstanden. In einigen Gegenden hat die Anpassungspolitik der Norweger das Ziel erreicht. Die Samen waren so verunsichert, dass sie zum Schluss selbst glaubten, ihr Volk sei minderwertig und sie versuchten deshalb, ihre samische Identität völlig abzulegen. Glücklicherweise haben sich bei weitem nicht alle Samen diesen Schuh anziehen lassen und verstärkt um Gleichberechtigung gekämpft. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten haben die Bemühungen Früchte getragen.
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