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Wenn das Paar zu einer Familie wird - Geburtsvorbereitungskurse helfen auch nach dem "Praxisschock"/ Keine Bezuschussung mehr

"Bei uns ist Geburtsvorbereitung mehr als Vorbereitung auf die Geburt!", heißt der Slogan auf einem Handzettel, den die Familienbildungsstätten seit kurzer Zeit in der Bürgerberatung, der Stadtbücherei und in gynäkologischen Praxen ausliegen haben. Der Grund für die Fachbereichsleiterinnen für Geburtsvorbereitung - Mechthild Buer vom Anna Krückmann Haus, Regine Brokinkel von der Evangelischen Familienbildungsstätte und Marie-Louise Haschke vom Haus der Familie - die Werbetrommel für ihre Kurse zu rühren, liegt nahe. Seit Anfang des Jahres ist es dem Paragraph 20 der Gesundheitsreform zu entnehmen, das die Gelder für gesundheitsprofilaktische Maßnahmen drastisch gekürzt bzw. gestrichen worden sind. Darunter leiden auch die Familienbildungsstätten, denn der bis Ende 1996 genehmigte Zuschuss für die Kurse fallen weg. Das heißt aber nicht, dass Schwangere für alle Geburtsvorbereitungskurse tiefer in den Geldbeutel greifen müssen. "Die Hebammen haben Verträge mit den Krankenkassen", erläutert Ralf Pagenkemper, Geschäftsführer der DAK: "Schwangere können bei Hebammen 14 Stunden Geburtsvorbereitung in Anspruch nehmen, ohne einen Pfennig dafür zu bezahlen." Laut Pagenkemper richten sich alle Ersatzkassen in Münster nach dieser Regelung, da die Leistung der Geburtsvorbereitung durch die Hebammen sichergestellt ist. Solche Kurse beschränken sich allerdings aus zeitlichen Gründen überwiegend auf Geburtstechniken wie Entspannungs- und Atemübungen. "Die restlichen Themen richten sich nach den Interessen der Kursteilnehmer", so Hebamme Annette Scheffel, die darauf hinweist, dass auch Paarkurse angeboten werden.
Die Familienbildungsstätten haben den Anspruch, weit über die Geburt hinaus zu informieren. Immer häufiger nehmen auch werdende Väter an den Vorbereitungskursen teil. "Paarkurse gibt es seit etwa 20 Jahren", so Mechthild Buer. "Männer wollen heutzutage bei dem Ereignis dabei sein, was den vermehrten Bedarf für die gemeinsame Vorbereitung erklärt." Häufig denken werdende Eltern nur bis zu der Geburt und nicht weiter. Die Familienbildungsstätten wollen aber darüber hinaus informieren, Tipps für den Alltag danach geben, auf Veränderungen im Leben hinweisen, wenn das Paar plötzlich zur Familie wird. Ganz wichtig ist natürlich der Austausch untereinander und die sozialen Kontakte, die sich nach den 10 Wochen bilden können. Ein Nachtreffen wird noch von den Institutionen organisiert, viele treffen sich aber auch danach in regelmäßigen Abständen.
Bärbel de Vries hat mit ihrem Mann Peter von Oktober bis Dezember 1996 einen Geburtsvorbereitungskurs im Anna Krückmann Haus besucht. "Bis heute treffen wir uns alle regelmäßig", so die junge Mutter, die diese Erfahrung nicht missen möchte. Auch die anderen Teilnehmer sind neben den entstandenen Freundschaften mit dem Kursus zufrieden gewesen. "Wir Männer saßen nicht nur passiv dabei, sondern wurden aktiv mit einbezogen", ist eine positive Erinnerung von Ronny Sträter, der auch gelernt hat, mit seiner Frau Diemut als Paar aufzutreten und als Team zu arbeiten. Gute Atem- und Massagetechniken, die realistische Vorbereitung auf das Leben nach der Geburt, Stilltipps sind weitere Aspekte, die den jungen Eltern sehr geholfen haben. "Es kann viel geredet werden, aber wenn das Kind da ist, ist alles absolut anders", meint Peter de Vries, der den "Praxisschock" durch die Vorbereitung nicht ganz so krass empfunden hat und auch bei weiteren Kindern wieder eine Familienbildungsstätte aufsuchen würde, da "die Kurse bei Hebammen meist auf die Technik reduziert sind und die kann man sich auch anlesen." Auch die anderen ehemaligen Teilnehmer befürworten dies, denn mit jedem weiteren Kind kommen neue und andere Probleme auf und vieles vergisst man mit der Zeit.
Für die Eltern von Julius, Jan, Leon und Dillon hatte die zweite Stufe der Gesundheitsreform noch keine Auswirkungen. Das wird beim nächsten Kind anders sein und es kommt die Frage auf, ob sich junge Paare oder Familien diesen "Luxus" der intensiven Vorbereitung auf das neue Leben in Zukunft überhaupt noch leisten können.

Westfälische Nachrichten, 1. Juli 1997

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