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Kafkas Gedanken nachgespürt - Lesung von Tonio Kleinknecht im Kleinen Bühnenboden

Eine Lesung mal etwas anders. Man hatte das Gefühl, Kafka selbst sitze an seinem Schreibtisch und lese sich die Briefe, die er an seinen Vater geschrieben hat, laut vor. Tonio Kleinknecht hat ein Gespür, sich in das Innenleben des eigenbrötlerischen, sehr emotionalen Schriftstellers hineinzuversetzen.
Für eine dreiviertel Stunde hatten die Zuschauer im "Kleinen Bühnenboden" das Gefühl, fast 80 Jahre in der Vergangenheit zu weilen, anwesend zu sein in dem kleinen Kämmerlein von Kafka, der versucht, die Beziehung zu seinem Vater aufzuarbeiten. Es wird deutlich, wie sehr der mittlerweile fast 40-jährige Mann unter dem gespannten Verhältnis zu seinem Vater leidet und dass viele Begebenheiten aus seiner Kindheit noch immer an ihm nagen. Und während er das Geschriebene liest, unterbricht ihn eine Stimme, die Stimme des Vaters. Es soll den ein druck erwecken, als ob die Stimme des alten Herrn in den Gedanken von Kafka auftaucht.
Diese, sowie einige musikalische Einlagen lockerten die Lesung auf und schafften zusätzlich Atmosphäre. Andere technische Hilfsmittel wie das Fernsehgerät wirkten fehl am platz. Für Kafka-Kenner und -Liebhaber war das Kleinknechtsche Projekt eine interessante Variante zu herkömmlichen Lesungen. Tonio Kleinknecht, erst seit Januar in Münster und vorher als Regisseur und Dozent an der Schauspielschule in Mainz tätig, gesteht selbst, dass das alles noch nicht so hundertprozentig ausgereift sei. Aber einen Versuch war´s allemal wert.

Westfälischen Nachrichten, 3. März 1998

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